Tex-Mex Küche
ESSEN MIT GESCHICHTE
ESSEN MIT GESCHICHTE
Wer an Tex-Mex-Essen denkt, dem kommen automatisch Bilder von Nachos, BBQ-Fleisch, Fajitas und Chimichanga in den Sinn; häufig mit Käse überbacken und angereicht mit Sour Cream oder Guacamole. Voll mit Kohlenhydraten ist dieses nicht selten als „Comfort-Food“ bezeichnetes Essen ist nicht nur in seinem „Heimatland“ Texas überaus beliebt, sondern in den gesamten USA. Die Tex-Mex-Küche hat längst Europa und den Rest der Welt erreicht und wird auch hierzulande immer populärer. Doch musste sie sich erst lange ihren Rang als eigenständige Küche und das dazugehörige Ansehen erkämpfen. Denn Tex-Mex Essen ist wesentlich mehr als nur der amerikanische Billigabklatsch der mexikanischen Küche.
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Die Ursprünge der Tex-Mex-Küche gehen Jahrtausende zurück bis in die Zeit, als die Ureinwohner des nordamerikanischen Kontinents bereits 1000 bis 4000 Jahre vor Christus begannen Chilis anzupflanzen und aus Mais Tortillas herzustellen. In diesem Gebiet, was wir heutzutage als Texas kennen, begannen Anfang des 16. Jahrhunderts spanische Missionare und Einwanderer zu siedeln. Danach waren Mexiko und Texas zusammen für mehr als 300 Jahre Teil der spanischen Übersee-Kolonien und blieben auch nach Mexikos Unabhängigkeit in 1821 verbunden. Auf diese Art und Weise mischte sich die traditionell spanische Küche mit der in der Region indigenen Küche. 1836 wurde dann auch Texas unabhängig und gliederte sich neun Jahre später in die USA ein, wodurch die Tex-Mex-Küche erneut neue Einflüsse durch leichter zugängliche Ressourcen wie Weizen und Fleisch erhielt.
Die Tex-Mex-Küche war zunächst nur am heimischen Herd der Bewohner der Region des heutigen Texas verbreitet. Doch die Stadt San Antonio, die auch gern als Hauptstadt des Tex-Mex Essens bezeichnet wird, verhalf der Hybridküche in vielerlei Hinsicht zu ihrem heutigen Aussehen und ihrem Durchbruch. Als in 1880 einige hispano-amerikanische Frauen auf dem Hauptplatz von San Antonio begannen in einem Pop-Up-Laden selbstgemachtes Chili con Carne zu verkaufen, wurde das Tex-Mex Essen einem breiteren Publikum und die Köchinnen als die „Chili Queens“ im ganzen Staat und kurz darauf sogar im ganzen Land bekannt. Nur wenige Kilometer entfernt von San Antonio lebte der Deutsche Willie Gebhardt, dessen Leibspeise Chili con carne war, doch um die Jahrhundertwende war Chili ein Saison-Produkt. Aus diesem Grund entwickelte er eine Trockengewürzmischung zur Herstellung von Chili con carne, was er unter dem Namen „Eagle Chili Powder“ vermarktete und was zu einem echten Hit wurde. Ferner wurde in einem Restaurant in San Antonio der für die Tex-Mex Küche emblematische „Combo Plate“ geboren, ihr Erfinder Otis Farnsworth fügte einfach Reis und Bohnen zu Entrees hinzu und servierte sie mit Sour Cream und Guacamole und nannte es „The Regular“.
Obwohl sich die Tex-Mex Küche immer größerer Beliebtheit erfreute, gab es bis Anfang der 1970er keine Unterscheidung zwischen mexikanischer und Tex-Mex Küche. Doch 1972 veröffentlichte die englische Autorin Diana Kennedy ein Buch über die mexikanische Küche, in dem sie auch auf die Unterschiede zwischen dem Essen südlich und dem nördlich der Grenze einging, wobei sie die Küche in Texas als erfolglosen Versuch zur mexikanischen Kost und als nicht-authentisch ansah. Diese Geringschätzung hat sich bis heute stark in den Köpfen festgesetzt, nämlich dass Tex-Mex Essen nur eine Billigvariante der guten, traditionellen mexikanischen Küche wäre. Gleichzeitig hat die Unterscheidung aber dazu beigetragen, dass die Tex-Mex Küche innerhalb der amerikanischen seine Daseinsberechtigung erhielt. Das es allerdings kein Abklatsch, sondern eine ganz eigene, eigenständige Hybridküche ist, sieht man bereits an den verschiedenen Einflüssen aus verschiedenen Kulturen und Regionen, die in Texas beheimatet waren und sind. So ist der intensive Gebrauch von Kreuzkümmel, der so gut wie gar nicht in Mexiko verwendet wird, auf die Einwanderer von den Kanaren zurückzuführen, die ihrerseits von ihren marokkanischen Vorfahren den Kreuzkümmel kennen und lieben gelernt hatten.
Wie man sieht, spiegelt sich in der Vielfalt der Geschmäcker und Gerichte die bewegte Geschichte Texas wieder. Ebenso finden sich die verschiedenen Kulturen und Völker die zusammengefunden haben in der Tex-Mex Küche vereint. So ist es auch kaum überraschend, dass auch der Name eigentlich von einer ganz anderen Sache als Essen herrührt: Nämlich von der „Texas Mexican Railway“, die eben „Tex Mex“ abgekürzt wurde, was später als Bezeichnung für die in Texas lebende Bevölkerung hispanischer Abstammung wurde.
Tex-Mex Essen ist also ganz und gar nicht neumodische und auch nichts Unselbstständiges ist, sondern es ist eine Küche, die uralte Traditionen mit Einflüssen aus der ganzen Welt perfekt vermischt, und genau diese Kombination schmeckt man bei jedem Bissen.